"Jetzt hast du schon einen Hund den du überall mit hin nehmen kannst und trotzdem bist du immer noch behindert."
Diese Aussage hat wohl jedes Assistenzhunde-Team schon einmal gehört. Meist klingt Erstaunen und ein wenig Unverständnis durch. Da hat der Mensch einen Hund, der scheinbar gar nichts macht und ist trotzdem in vielen Dingen eingeschränkt. Da stimmt doch irgend etwas nicht, ist der angebliche Assistenzhund vielleicht gar nicht notwendig und nur ein vorgeschobenes Argument?
Häufig werde ich als Sachverständige nach meiner Einschätzung gefragt, ob ein Assistenzhund eine Erkrankung oder Behinderung "heilen" könne und deshalb unbedingt notwendig sei. Gerade heute bekam ich wieder eine Bitte um Stellungnahme, das der Assistenzhund im Klassenraum unbedingt anwesend sein muss, um die Auswirkungen einer komplexen PTBS des Menschen zu heilen.
Meine Stellungnahme ist eindeutig: eine Heilung ist durch den Assistenzhund nicht möglich. Das liegt schon in der Natur der Sache. Ein Assistenzhund ist ein HILFS-mittel, kein HEIL-mittel. Auf den Unterschied gehe ich gleich ein. Durch das Hilfsmittel "Assistenzhund" können die Auswirkungen einer Behinderung gemildert werden, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (übrigens ein grundsätzliches Menschenrecht, laut Vereinten Nationen, 2006) ermöglicht werden, und behinderungsgedingte Nachteile ausgeglichen.
Was unterscheidet nun ein HILFS-mittel von einem HEIL-mitttel?
Das Bundesgesundheitsministerium ist da recht eindeutig: Ein HEIL-mittel ist darauf angelegt, eine Erkrankung zu heilen oder zu lindern. Typische Beispiele sind Medikamente, die dem Körper helfen sollen, mit einer (akuten) Erkrankung fertig zu werden.
HILFS-mittel hingegen sind darauf angelegt, den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, eine drohende Behinderung vorzubeugen oder eine bereits bestehende Behinderung auszugleichen (Bundesgesundheitsministerium, Stand 30.06.2022). Häufige Hilfsmittel sind Sehhilfen, Rollstühle und Mobilitätshilfen, Spritzen und Applikationshilfen oder Hörgeräte. Keines dieser Hilfsmittel kann eine bestehende Erkrankung oder Behinderung auflösen. Aber Sie ermöglichen, jedes auf seine Weise ein menschenwürdiges Leben.
Der Weg, bis ein Produkt oder eine Dienstleistung eine Zulassung als Hilfsmittel oder Heilmittel erlangt ist langwierig und kompliziert. So müssen u.a. Wirksamkeit und Kosten-Nutzen-Verhältnis in umfangreichen Studien nachgewiesen werden. Viele Beratungen von Fachleuten sind notwendig und oft eine mehrjährige Erprobungsphase. Erst wenn hierbei die Wirksamkeit, ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis und die Qualitätsanforderungen eindeutig sind, kann ein Produkt / eine Dienstleistung oder ein Therapieverfahren in den Heilmittel- bzw. Hilfsmittelkatalog aufgenommen werden. Erst mit dieser Aufnahme in einen der beiden Kataloge kann das Heil- oder Hilfsmittel verordnet werden. ... Ein langer Weg, mit vielen Hürden.